Bedürfnisse: Bedürfnisreich nicht bedürftig
Wieso fällt es uns so schwer, klar und eindeutig unsere Bedürfnisse zu formulieren?
Weil wir gelernt haben, unsere Bedürfnisse aus Rücksicht anderen gegenüber zurückzustellen.
Weil wir glauben, dass andere immer nur das Beste von uns erwarten und Bedürfnisse oftmals so "bedürftig" wirken. Und eigentlich wollen wir doch alle unkompliziert, anpassungsfähig und gelassen sein.
Weil der Selbstoptimierungstrend und ständiges Vergleichen auf Social Media nicht viel Platz für eventuelle Ungereimtheiten, Unsicherheiten oder Ängste lassen.
Weil Bedürfnisse artikulieren auch Konsequenzen haben kann und wir oft noch nicht bereit sind, diese zu tragen. Vor allem nicht, wenn sie eine größere Veränderung bedeuten. Oder ein Eingeständnis.
„So wie man einen anderen Menschen und seine wahren Bedürfnisse kennen muss, um ihn zu lieben, so muss man auch sich selbst kennen, um zu verstehen, wo die eigenen Interessen liegen und wie ihnen gedient werden kann.“ (Fromm: 150)
Vielleicht ist vor allem das das Problem: die eigenen Interessen und Bedürfnisse kennen und verstehen. Nicht jeder von uns ist sich wirklich bewusst, was eigentlich tief in seinem Inneren vor sich geht.
Wie auch?! Bei dem ganzen (digitalen) Input jeden Tag ist es wahrlich eine Kunst, sich auf seine eigentlichen, persönlichen, echten Bedürfnisse zu konzentrieren. Ich kann auf jeden Fall nicht behaupten, dass ich mir zu jeder Zeit darüber bewusst bin, was in mir gerade wirklich vor sich geht. Bewusst – das ist ein schöner Ausdruck. Absichtlich, gewollt, klar erkennend, geistig wach… ist die Definition des Dudens.
Wie kann es uns gelingen im Alltag die eigenen Bedürfnisse zuzulassen und klar zu kommunizieren?
Vielleicht wäre es leichter unsere Bedürfnisse klarer zu erkennen und zu formulieren, wenn wir wirklich mal in uns hinein hören. Regelmäßig Pause machen und uns Momente der Ruhe nehmen. Momente, in denen das Außen still wird und wir unsere innere Stimme hören.
Zum Beispiel durch Meditation, oder einen Spaziergang in der Natur.
Und immer wieder die Frage stellen: Was will ich gerade wirklich? Jetzt. In diesem Moment.
Jetzt stell dir mal vor...
... alle würden sich bewusst Zeit für ihre Bedürfnisse nehmen....
Auf einmal werden Bedürfnisse zu etwas, was wir teilen wollen. Immer. Etwas, woran wir uns erfreuen - an uns und anderen. Wir spüren Nähe und Verbindung, lassen Unsicherheiten und Verletzlichkeit zu. Wir merken, dass das alles einfach menschlich ist.
Das würde vielen Menschen viele Zweifel nehmen. Weniger Zweifel bedeutet im Umkehrschluss mehr Liebe. Darum geht es doch am Ende: dass jeder geliebt werden will.
Starte diese Woche doch mal den Versuch und formuliere klar und ehrlich was du brauchst. Beobachte, was passiert.
Vielen Dank an unsere Gastautorin Nadine!
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